Saturday 30 June 2007

Intuition und Verstand – Komplementäre Partner

Der Begriff Intuition zieht sich durch rund zweieinhalb Jahrtausende Philosophiegeschichte.
Wenn man die verschiedenen Definitionen dieses Zeitraumes betrachtet, kommt man zu dem Ergebnis, dass es eine übergeordnete, allgemeine und gegenüberstellende Beschreibung gibt: Es handelt sich um die gegenüberliegenden Bereiche des „diskursiven Denkens“ einerseits und der „Intuition“ andererseits. Dabei wird das diskursive Denken als das beschrieben, was wir heutzutage alltagssprachlich als Rationalität oder Vernunft formulieren würden: Ein methodisches, systematisches, logisches, lineares und analytisches Vorgehen. Dem gegenüber befindet sich die Intuition in ihrer unmittelbaren, sprunghaften, nicht-linearen und synthetischen Erscheinung, die wir meist mit Irrationalität in Verbindung setzen. Statt einer polaren Unterscheidung dieser klassischen Gegensatzpaare wie Intuition und Ratio, Verstand oder Analyse, wie sie sich in der obigen Denkfigur wiederspiegelt, möchten wir ein komplementäres Verständnis vorschlagen. Da wir Wechselwirkungsprozesse zwischen diesen unterschiedlich erlebten Sphären als das eigentlich kreative und wertvolle im praktischen Leben ansehen, liegt uns eine Perspektive näher, die die "Paare" von vorn herein in Beziehung und Ergänzung zueinander setzt und ihre gegenseitige Bedingtheit betont. Bei weiterer Betrachtung des Intuitionsbegriffs wird schnell deutlich, dass dieser nicht besonders trennscharf von anderen Begriffen definierbar ist: Gefühl, Ahnung, Inspiration, Phantasie und dergleichen mehr finden sich immer wieder im unmittelbaren Umfeld von Intuition.
Dies wird übrigens auch immer wieder in den von uns durchgeführten Interviews mit UnternehmensberaterInnen und TrainerInnen deutlich, wenn sie selbst zu Beginn beschreiben sollen, was sie persönlich unter Intuition verstehen.
Aus linguistischen und inhaltlichen Gründen scheint es sinnvoll zu sein, bei einem zunächst vage erscheinenden Begriff, wie dem der Intuition, von einer schnellen Definition abzusehen. Es soll nämlich weniger darum gehen, eine vermeintlich eindeutige Operationalisierung zu ermöglichen, als vielmehr den Gebrauch des Intuitionsbegriffs in der Praxis zu erhellen, um daraus praxisrelevante Folgerungen zu schließen. Aus diesem Grund wollen wir "Intuition" aus linguistischer Perspektive als ein Wortfeld verstehen, das aus einem kulturspezifischen
Alltagsverständnis verschiedene Bedeutungen und Implikationen umfasst. Dieses Wortfeld lässt sich in seiner Phänomenologie und Bedeutung nicht durch trennscharfe Definition erfassen, sondern entspricht einer gesamten Begriffsfamilie, die in ihrem Kern auf eine Identität hindeuten, ohne dass diese scharf abgrenzbar wäre. Einer der Begründer der Wortfeldidee, Wittgenstein, deutet diese familienähnlichen Beziehungen so an: "Es läuft kein Faden durch das ganze Gewebe".

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