Saturday 30 June 2007

Intuition im Management – Erfolgsradar innere Stimme

Die „innere Stimme“, die sich häufig dann meldet, wenn Entscheidungen zu treffen sind oder zukünftige Entwicklungen eingeschätzt werden sollen, ist im Management noch eine weitgehend ungenützte menschliche Ressource. So salonfähig diese Stimme oft im privaten Bereich ist, so wenig kultiviert wird sie meist im Arbeitsalltag. In dem nachfolgenden Beitrag zeigen wir auf, wie Sie diese Stimme finden und auch richtig einsetzen können.
Die Welt in und um Unternehmen wird immer komplexer, dynamischer und unvorhersehbarer. Zunehmend sehen sich Führungskräfte, vom Aufsichtsrat bis zum Teamleiter, in einer Zwickmühle: Gerade in turbulenten Zeiten wird von ihnen begründbare Handlungssicherheit erwartet, gleichzeitig versagen genau in dieser Situation immer häufiger die bewährten Denkmodelle und Instrumente rationaler Steuerung. Wer nun in der alten Logik weiterdenkt, wird pseudorationale Faktengebäude aufbauen, um unsichere Entscheidungen zu untermauern und die Illusion hundertprozentiger Kontrolle aufrechtzuerhalten. Denn wenn die Datengrundlage für Entscheidungen in den hochvernetzten Geschäftsfeldern zunehmend unübersichtlich und widersprüchlich wird, stößt auch das Prinzip berechnenden Controllings an seine Grenzen. Doch wie so oft birgt auch die aktuelle Krisensituation Chancen. Entscheidungsträger in Unternehmen besinnen sich auf eine bislang meist noch verborgene Ressource.
Welchen Nutzen hat Intuition im Unternehmensalltag? Die menschliche Intuition stellt seit jeher einen Zugang zu beachtlichen Fähigkeiten des Unbewussten dar: Entscheidungsfindung: Wenn die Informationslage zu dürftig oder widersprüchlich ist, verarbeitet Intuition die diffusen und logisch schwer fassbaren Daten.
Komplexitätsmanagement: Intuitive Urteile ermöglichen auch bei hoher Vernetzung und Veränderungsdynamik in der Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben.
Timing: Bei der Durchführung von Veränderungsmaßnahmen und Projekten ist neben einer exakten Planung das Gespühr für den Kairos, also das ‘richtige’ Timing und den ‘richtigen’ Zeitpunkt von Aktionen entscheidend .
Zukunftsvisionen: Um eine unternehmerische Vision zu entwickeln eröffnet Intuition den Zugang zu kraftvollen Symbolen und Leitbildern, durch die Mitarbeiter und Kunden auf einer unbewussten und intuitiven Ebene angesprochen werden.
Beziehungsgestaltung: Die intuitive Wahrnehmung subtiler Beziehungsinformationen und nonverbaler Signale der Mitarbeiter fördert die soziale Kompetenz von Führungskräften und trägt so zur Qualität der Arbeitsbeziehungen bei.

Kreativität: Unbewusste Potentiale und intuitive Assoziation stellen einen Schlüssel für Kreativität bei der Lösung eingefahrener Probleme und der Entwicklung von Innovationen dar. Dabei geht es nicht darum einen neuen ‘Heilsmythos’ für das Management zu entwerfen, sondern die Dominanz rationalen Denkens durch eine Aufwertung intuitiven Handelns auszubalancieren. In der aktuellen Unternehmenswelt wird Intuition jedoch noch immer oft als „irrationales Hirngespinst“ abgetan oder als „Inspiration von Genies“ mystifiziert. Für einen seriösen und pragmatischen Umgang mit Intuition als Kompetenz in Unternehmen taugen diese Polarisierungen nicht. Soll Intuition in die aktuelle Unternehmenskultur passen und keine exotische Randerscheinung bleiben, müssen sich intuitives und rational-methodisches Arbeiten konstruktiv ergänzen. Der Verweis auf Intuition ist auch per se kein Gütesigel. Unbewusste Prozesse können genauso durch Gewohnheiten und starre Schemata eingeschränkt sein. Damit Intuition zu einer unternehmerischen Kernkompetenz wird, kann sie von Führungskräften weiterentwickelt und professionalisiert werden.

Intuition als Radar für Chancen und Gefahren: Im unternehmerischen Alltag kann die intuitive Antizipation zukünftiger Entwicklungen von entscheidender Bedeutung sein. Wie Intuition als inneres Radar für Chancen und Gefahren dient, zeigt eine von Führungskräften häufig berichtete Szene, die Sie vielleicht aus Ihrem eigenen Alltag kennen: In einem Meeting geht es um die Initiierung eines wichtigen Projekts. Im Verlauf des Gesprächs stellt sich ein unangenehmes Gefühl ein, sie fühlen sich körperlich unwohl, sind vielleicht genervt oder schweifen oft ab. Sie versuchen kühl und sachlich zu bleiben, schließlich steht einiges auf dem Spiel. Doch das Gefühl bleibt, dazu kommen Phantasien vom Scheitern des Projekts und eine warnende innere Stimme meldet sich immer lauter. Obwohl Sie es nicht rational erklären können, beschleicht Sie der Verdacht, es könne mit dem geplanten Projekt zusammenhängen. Schließlich stehen Sie vor der Wahl den inneren Signalen nachzugehen oder sie als irrational ab zu tun und zu ignorieren. Aller Erfahrung nach zahlt sich an dieser Stelle das Vertrauen in diesen ‘inneren Berater’ aus. Bei vorsichtigem Nachhaken werden wesentliche Fehler im Detail oder falsche Grundprämissen deutlich, die im Eifer der Hochglanzpräsentation untergingen und die es im Weiteren rational zu prüfen gilt.

Wissenschaftlich lässt sich Intuition unter anderem als unbewusste Informationsverarbeitung interpretieren. Sie haben an vielen Stellen minimale Informationen über das Projekt und dessen Vernetzung im Gesamtzusammenhang auch unterhalb der Bewusstseinsschwelle aufgenommen. Diese verdichtet das Unbewusste zu einem Eindruck, der sich dann ganz urtümlich in der Körpersensorik oder als Phantasieszene äußert . Dass wir diesen nicht sofort rational begründen können, heißt oft nur, dass wir auf der bewussten Ebene eine
deutlich eingeschränktere Wahrnehmung und Interpretation haben. Das Beispiel zeigt gleichzeitig welche Herausforderung der Umgang mit Intuition mit sich bringt. Wer ihr nachgeht, muss sich eventuell anstrengenden Diskussionen und kritischen Fragen der Kollegen stellen. Orientierung im Dschungel schwieriger Entscheidungen. In hochkomplexen Entscheidungssituationen ist es gar nicht möglich, alle Fakten zu berücksichtigen und alle Möglichkeiten „durchzurechnen“. Häufig fehlen Informationen, oder es sind widersprüchliche Daten vorhanden, zudem fehlt es an Zeit, alle Fragen logisch abzuarbeiten. Intuitive und emotionale Faktoren spielen dann eine unerlässliche Rolle. Sie stellen den Zugang zu Erfahrungs- und Handlungswissen her, das häufig wesentlich schneller zu tragfähigen Entscheidungen führt.

Deutlich wird dies zum Beispiel in der Personalauswahl: Die Zeugnisse und standardiesierten Analysen einer Bewerberin geben nur ein schematisches Bild und Assessment-Center bilden zunächst nur das Verhalten in einer künstlichen Stresssituation ab. Es bleibt dem persönlichen und subjektiven Eindruck vorbehalten, wahrzunehmen, ob der Kandidat die Idealbesetzung im realen Arbeitskontext ist; ob er in das vorhandene Arbeitsteam passen wird, welche Potenziale er im zukünftigen Arbeitsplatz auch wirklich entfalten kann
und welche Eigenheiten später Probleme verursachen können. So kann das differenziert wahrgenommene Bauchgefühl eines Entscheidungsträgers, das für den einen Kandidaten trotz suboptimaler Fakten oder gegen den anderen trotz bester Analysen spricht, von hoher Relevanz sein. Navigieren in komplexen Veränderungsprozessen.Geschäftsprozesse, in denen intuitive Kompetenzen besonders zum Tragen kommen, sind Changemanagement-Aufgaben im Rahmen einer Unternehmensfusionierung. Sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung des Mergings müssen die Führungskräfte in einer überkomplexen Situation navigieren. Die Führungskräfte müssen dabei genauso administrative wie schöpferische Talente besitzen, um sich auf Inspiration und freie Assoziation einzulassen, auch wenn sie gewisse Regeln verletzt. Dass so viele Fusionen fehlschlagen, liegt nicht nur an wirtschaftlichen Fehlkalkulationen, sondern auch daran, dass die psychischen Anforderungen unterschätzt werden. Die intuitive Kompetenz einer Führungskraft kann ihr Komplexitätsmanagement maßgeblich unterstützen.

Sie erfasst zunächst eine Vielzahl vager Rahmenbedingungen, die in ihrer Auswirkung erheblich sein können, wie die Atmosphäre im Unternehmen, die Passung zweier Unternehmenskulturen zueinander oder die Wahrscheinlichkeit von Schnittstellen- konflikten. Die intuitionsgestützte Arbeit mit Zukunftsszenarien erlaubt eine Früherkennung problematischer Entwicklungen und lässt aus einer Bedrohung eine Chance werden. Intuition kann trainiert werden. Um Intuition zu trainieren werden zu Beginn Haltungen zur Intuition erkundet und Wahrnehmung geschärft. Eine überkritische Haltung ist genauso kontraproduktiv wie blindes Vertrauen. Um den Erfahrungshorizont zu erweitern ist dagegen eine möglichst offene und unvoreingenommene Haltung hilfreich.

Die weitere Professionalisierung von Intuition erfolgt durch eine zunehmend differenzierte Wahrnehmung intuitiver Signale: In welchen Sinneskanälen wird Intuition wahrgenommen: Als innere Bilder, innere Stimme oder Körpergefühl? Was ist die individuelle Sprache der Intuition? Eine Verspannung im Rücken könnte ein Stop-Signal sein („lass die Finger davon“), während ein Kribbeln im Bauch ein Start-Signal ist („ja, das ist der richtige Weg“). Eine kontinuierliche Reflexion der Intuition hilft sie von gewohnheitsmäßigen Automatismen, Vorurteilen oder Wunschphantasien zu unterscheiden. Die Stimme der Intuition hört sich nämlich anders an als die der Vorurteile; die Intuition ergibt andere Bilder als irritierende Projektionen.

Schließlich braucht die Intuition Raum und Zeit, um ihre Kräfte zu entfalten. Führungskräfte sind es oft gewohnt, natürliche Arbeitsrhythmen nicht einzuhalten, sondern statt dessen über physiologische und psychologische Grenzen hinwegzugehen. Nach einer Vorbereitungsphase bewusster Auseinandersetzung mit einem Problem braucht es eine Phase der Ruhe, in der sich die Informationen unbewusst sortieren können. Danach können dann die neugeordneten Informationen als Aha-Erlebnis ins Bewusstsein treten und schließlich praktisch geprüft und genutzt werden. Entwicklung von Intuition in der Unternehmenskultur. Wie kann eine Unternehmenskultur etabliert werden, in der Intuition als Kompetenz integrierbar ist? Nach aller Erfahrung wird sich ein Unternehmen mit einigen kulturell herausfordernden Fragen beschäftigen müssen:

- Welchen Stellenwert haben subjektive Perspektiven der Mitarbeiter und Führungskräfte und darauf basierende Entscheidungen?
- Werden im Unternehmen vom „Mainstream“ abweichende Haltungen und Ideen akzeptiert und unvoreingenommen geprüft?
- Wird die soziale, emotionale und intuitive Seite im professionellen Alltag als eigenständiger Wert berücksichtigt und nicht nur als notwendiges Übel hingenommen?

Viele der neueren Entwicklungen im OE-Bereich, wie das DIALOG -Verfahren, Open Space oder systemische Aufstellungen können zu einer intuitionsförderlichen Unternehmenskultur beitragen. Sie sprechen die TeilnehmerInnen mit allen Sinnen an, statt sie zu zwingen, eine überdimensionierte Agenda abzuarbeiten; sie schaffen eine offene, dialogische Atmosphäre, statt ermüdende Streitrituale und Argumentationsschleifen zu pflegen. Zum Abschluss möchten wir Ihnen eine einfache Übung (Metaphorische Problemlösung) vorstellen, die ihre Intuition anregen und praktischen Nutzen haben kann: Mit dieser Übung aktivieren Sie ihre persönliche Intuition zur Lösung einer Aufgabenstellung. Sie benötigen etwa 30 Minuten in einem ungestörten, hinreichend ruhigen Raum:

- Problemdefinition: Formulieren sie ein Problem, für dessen Lösung sie Ihre Intuition nutzen wollen.
- Zentrierung: Entspannen sie sich und werden Sie ruhig. Sie können dazu Atemtechniken, Autogenes Training oder Entspannungsmusik nutzen.
- Phantasie von Symbolen: Wenn das Problem etwas anderes wäre, was wäre es dann: Ein Theaterstück, eine Musik, ein Kunstwerk, ein Bauwerk, eine Landschaft etc.? Lassen Sie sich für diesen zentralen intuitiven Schritt Zeit und bilden Sie weitere Assoziationen.
- Interpretation: Nutzen Sie Mindmapping, um die Informationen zu dokumentieren. Betrachten Sie die einzelnen Bildelemente und suchen Sie nach Parallelen und Verbindungen zu Ihrer Ausgangsfrage.
- Lösungsfindung: Übersetzen Sie die intuitiven Informationen nun in Lösungen und Alternativen: Welche neuen Perspektiven ergeben sich durch die Symbole? Auf welche neuen Handlungsoptionen weisen die Bilder in ihrem professionellen Kontext hin?

Weitere Informationen und Trainingsangebote werden folgen.

Intuition und Verstand – Komplementäre Partner

Der Begriff Intuition zieht sich durch rund zweieinhalb Jahrtausende Philosophiegeschichte.
Wenn man die verschiedenen Definitionen dieses Zeitraumes betrachtet, kommt man zu dem Ergebnis, dass es eine übergeordnete, allgemeine und gegenüberstellende Beschreibung gibt: Es handelt sich um die gegenüberliegenden Bereiche des „diskursiven Denkens“ einerseits und der „Intuition“ andererseits. Dabei wird das diskursive Denken als das beschrieben, was wir heutzutage alltagssprachlich als Rationalität oder Vernunft formulieren würden: Ein methodisches, systematisches, logisches, lineares und analytisches Vorgehen. Dem gegenüber befindet sich die Intuition in ihrer unmittelbaren, sprunghaften, nicht-linearen und synthetischen Erscheinung, die wir meist mit Irrationalität in Verbindung setzen. Statt einer polaren Unterscheidung dieser klassischen Gegensatzpaare wie Intuition und Ratio, Verstand oder Analyse, wie sie sich in der obigen Denkfigur wiederspiegelt, möchten wir ein komplementäres Verständnis vorschlagen. Da wir Wechselwirkungsprozesse zwischen diesen unterschiedlich erlebten Sphären als das eigentlich kreative und wertvolle im praktischen Leben ansehen, liegt uns eine Perspektive näher, die die "Paare" von vorn herein in Beziehung und Ergänzung zueinander setzt und ihre gegenseitige Bedingtheit betont. Bei weiterer Betrachtung des Intuitionsbegriffs wird schnell deutlich, dass dieser nicht besonders trennscharf von anderen Begriffen definierbar ist: Gefühl, Ahnung, Inspiration, Phantasie und dergleichen mehr finden sich immer wieder im unmittelbaren Umfeld von Intuition.
Dies wird übrigens auch immer wieder in den von uns durchgeführten Interviews mit UnternehmensberaterInnen und TrainerInnen deutlich, wenn sie selbst zu Beginn beschreiben sollen, was sie persönlich unter Intuition verstehen.
Aus linguistischen und inhaltlichen Gründen scheint es sinnvoll zu sein, bei einem zunächst vage erscheinenden Begriff, wie dem der Intuition, von einer schnellen Definition abzusehen. Es soll nämlich weniger darum gehen, eine vermeintlich eindeutige Operationalisierung zu ermöglichen, als vielmehr den Gebrauch des Intuitionsbegriffs in der Praxis zu erhellen, um daraus praxisrelevante Folgerungen zu schließen. Aus diesem Grund wollen wir "Intuition" aus linguistischer Perspektive als ein Wortfeld verstehen, das aus einem kulturspezifischen
Alltagsverständnis verschiedene Bedeutungen und Implikationen umfasst. Dieses Wortfeld lässt sich in seiner Phänomenologie und Bedeutung nicht durch trennscharfe Definition erfassen, sondern entspricht einer gesamten Begriffsfamilie, die in ihrem Kern auf eine Identität hindeuten, ohne dass diese scharf abgrenzbar wäre. Einer der Begründer der Wortfeldidee, Wittgenstein, deutet diese familienähnlichen Beziehungen so an: "Es läuft kein Faden durch das ganze Gewebe".

Intuition - Das neurologische Wechselspiel zwischen Emotion und Rationalität

Aktuelle neurologischen Forschungen, exemplarisch dargestellt durch ein Beispiel des amerikanischen Neurologen Antonio Damasio, belegen eindrucksvoll die Bedeutung unserer menschlichen Emotionen und Affekte für ein gesundes und effektives Denken. Damasio zeigte, dass es Zusammenhänge zwischen Emotionalität/Intuition und Denken im menschlichen Gehirn gibt, die eine Grundlage unserer Denkprozesse sind. Er untersuchte unter anderem PatientInnen mit Störungen der sogenannten Stirnlappen, ein Bereich im Gehirn, der namensgemäß hinter der Stirn liegt. Es handelte sich meist um Schädigungen, die durch Tumore und die damit verbundenen Operationen hervorgerufen wurden.

So musste beispielsweise im Fall „Elliot“ (Damasio 1999, S. 64-85) aus medizinischen Gründen nicht nur der Tumor, sondern auch umliegendes Gewebe der besagten Stirnlappen entfernt werden. Dies hatte fatale Folgen für das Denkvermögen dieses Patienten: Elliot war ehedem beruflich und privat ein erfolgreicher Mann zwischen dreißig und vierzig, der nach dieser Operation allerdings eine massive Persönlichkeitsveränderung durchmachte: Er war auch nach dem Eingriff ein überdurchschnittlich intelligenter Mann, gemessen an psychologischen und neurologischen Tests. Allerdings war er nicht mehr fähig, seinen Beruf weiterhin auszuführen, da er sich weder an Zeitpläne halten konnte noch in der Lage war, übergeordnete Zusammenhänge zu erkennen und Prioritäten zu setzen. Schließlich wurde er entlassen und wendete sich unterschiedlichsten Arbeitsfeldern zu, von denen er keines mehr erfolgreich ausführen konnte. Durch dubiose Geschäfte kam er schließlich in den Bankrott.

Seine Familie konnte diese Entwicklung nicht nachvollziehen, so dass es auch noch zur Scheidung kam. Diese durchweg tragische Geschichte ist eines von vielen Beispielen für den Zusammenhang von emotionalen und rationalen Vorgängen: Im Bereich der geschädigten Stirnlappen vollzieht sich unter anderem die bewusste Verarbeitung emotionaler Prozesse, die in einem engen neurologischen Wechselspiel mit Denk-, Plan- und Entscheidungsprozessen steht. Im Falle von Schädigungen dieser Bereiche kommt es zu solch typischen Fehlfunktionen wie im Falle Elliot. Der in Fachkreisen bekannte Berner Psychiater Luc Ciompi entwickelte in seinem Buch „Die emotionalen Grundlagen des Denkens“ aus seiner jahrzehntelangen Praxis eine profunde Theorie, anhand derer ebenfalls die enge Verbindung zwischen Emotionen/Affekten und Denken deutlich wird. Er führt die affektlogische Theorie aus, „wonach emotionale und kognitive Komponenten – oder Fühlen und Denken, Affekte und Logik – in sämtlichen psychischen Leistungen untrennbar miteinander verbunden sind und gesetzmäßig zusammenwirken.“
Ciompi 1997, S. 46)

Intuition als unbewusste Informationsverarbeitung

Wir sind permanent umgeben von einer Flut von Informationen. Einerseits in der Außenwelt: visuelle Eindrücke, Geräusche, kinästhetische Informationen, Gerüche und Geschmack. Andererseits gibt es während unseres Wachbewusstseins auch eine ebensolche Vielfalt an innerweltlichen Informationen: Assoziationen, Bilder, Erinnerungen, innere Stimmen usw. Allerdings sind wir nicht in der Lage, all diese Informationen bewusst wahrzunehmen und zu verarbeiten. Der größte Teil dieser Datenmenge bleibt unbewusst, nur ein Bruchteil gelangt in unser alltägliches Wachbewusstsein. Dabei lassen sich noch subliminale (unterschwelige) Wahrnehmungen von unbewussten derart unterscheiden, dass unbewusste Wahrnehmungen lediglich von der jeweiligen Aufmerksamkeits- fokussierung abhängen, also prinzipiell dem Bewusstsein durch eine Verschiebung der Aufmerksamkeit zugänglich sind, während subliminale Wahrnehmungen grundsätzlich im Unbewussten bleiben, da z.B. bestimmte Frequenzen nicht mehr bewusst gehört werden können, oder kurze Standbilder innerhalb eines Filmes (z.B. bei den Experimenten mit „subliminaler Werbung“) prinzipiell nicht ins Wachbewusstsein gelangen, dafür aber nachweislich eine Rolle bei anschließenden Entscheidungsprozessen spielen.
Von dieser Perspektive aus betrachtet, scheint es eine gewagte Hypothese, dass wir alle unsere Entscheidungen bewusst treffen. Vielmehr liegt es nahe anzunehmen, dass alle unsere Entscheidungen, auch die vermeintlich rationalen, durchdrungen sind von unbewussten und irrationalen Anteilen. Intuition kann in diesem Zusammenhang als eine Form unbewusster, zielgerichteter Informationsverarbeitung interpretiert werden, die sich häufig in Form eines einfachen handlungssteuernden Gefühls äußert, dieses oder jenes zu tun, bzw. zu unterlassen.

Ein Beispiel zur Illustration:
Jemand ist auf der Suche nach einer Postkarte mit einem bestimmten Motiv. Er geht in einen Buchladen, an dessen Eingang ein paar Kartenständer stehen, die ihm aber nur als Ganzes ohne einzelne Postkarten im Augenwinkel kurz bewusst werden. Beim Verlassen des Geschäftes kommt dieser Person plötzlich der Gedanke (mithin: die Intuition), diese Kartenständer durchzuschauen. Und er wird fündig: genau die Karte mit dem Motiv, dass er gesucht hatte. In der Rekonstruktion dieses Ablaufes liegt die Vermutung nahe, dass die Person unbewusst die gesuchte Karte wahrgenommen hat – beim Herausgehen aus dem Buchladen trat diese Information in Form des beschriebenen Gedankens über die Bewusstseinsschwelle und führte zu dem gewünschten Erfolg.

Friday 29 June 2007

Intuition – Eine Kernkompetenz von Führungskräften?

Im Rahmen einer groß angelegten Untersuchung des amerikanischen Wissenschaftlers Weston Agor (1986) mit über 6000 Topmanagern grosser Unternehmen wie Walt Disney Enterprises oder Tenneco Oil zeigte sich, dass für Führungskräfte Intuition bei der Planung, Entscheidung und Problemlösung eine wichtige Rolle spielt. Die Höhe der Führungsebene scheint sich proportional zu den Ergebnissen der intuitiven Fähigkeiten und deren Einsatz zu verhalten. In sämtlichen von Agor untersuchten organisationalen Bereichen verfügte das Topmanagement über mehr intuitive Fähigkeiten und setzte diese öfter ein als die mittlere und untere Führungsebene.

_____Sicherheit im Handeln trotz diffuser Entscheidungslage. Einer der grössten Anwendungsbereiche ist eine für rationale Entscheidungen unzureichende Informationslage. Entweder fehlen Daten und Fakten, aber die Zeit drängt, es sind zu viele Informationen unter Zeitdruck vorhanden, oder es sind gleichwertige, aber sich widersprechende Daten und Fakten vorhanden. Diese Szenarien sind gerade bei der aktuellen Lage exponentiell wachsender Informationsmengen häufig anzutreffen und oftmals ein Problem für Führungskräfte. Intuition stellt eine Möglichkeit der Komplexitätsreduktion dar, die sehr subtile und weiträumige Informationen unbewusst verarbeitet und dann zu unmittelbaren Realitätsurteilen kommt.

_____Instinkt für erfolgreiche Unternehmungen. Welche Unternehmungen, welche Projekte versprechen Erfolg? Eine der Aufgaben von Führungskräften, unternehmerische Ressourcen, wie Geld, Zeit und Manpower in die «richtigen» Projekte/Unternehmungen zu investieren, sind Entscheidungen, die es oftmals auf der Basis unzureichender Informationslagen zu treffen gilt. Wäre es da nicht hilfreich, einen zunehmend sicher we rdenden Geschäftsinstinkt zu entwikkeln, so wie es die grossen Unternehmer des letzten Jahrhunderts eindrucksvoll demonstriert haben?

_____Gespür für neue Wege, neue Ziele und Visionen. Wie kommt das Neue in die Welt? Kreativität ist nicht nur im Bereich künstlerischer Tätigkeit von Belang, sondern auch in den «harten» Wissenschaften oder im Wirtschaftsleben. Einige bekannte Forscher, wie Kekulé, der Entdecker des Benzolrings, oder Albert Einstein nannten immer wieder die Bedeutung der Intuition für ihre Forschungsergebnisse. Durch Visionen oder Imagination bekamen sie schöpferische Einsichten und Ahnungen des Möglichen, abseits der ausgetretenen Lösungswege. Ähnlich ist dies im Rahmen von Unternehmensentscheidungen: Das rationale Denken alleine verbleibt meist in alten, vorgestanzten Rahmen. Kreative Problemlösungen, die einer Situation wirklich voll gerecht werden und nicht auf kurzsichtige Reparaturdienste verhalten aufbauen, entstehen oftmals durch ein assoziatives und etwas verrücktes Denken, das auch geltende Grundannahmen und Paradigmen in Frage stellen kann (wie z.B. bei Einstein).

_____«Kommen Sie mir nicht mit Gefühl,
ich will Daten und Fakten!» Zentral im Business-Kontext ist schliesslich die Legitimation intuitiver Entscheidungen. Da Konventionen der Handlungsbegründung in wirtschaftlich- organisationellen Umfeldern durch intuitive Entscheidungen oft verletzt oder in Frage gestellt werden, entschliessen sich viele Führungskräfte die intuitive Quelle von Informationen und Interventionen zu verschweigen oder im Nachhinein allgemein akzeptierteGründe zu erfinden. Insofern ist es im wirtschaftlichen Umfeld nötig, nicht nur die Intuitionsfähigkeit selbst zu schulen, sondern auch die anschliessende Präsentation der durch Intuition gewonnenen Handlungssteuerung. Eine Darstellung in Bildern, Metaphern oder Analogien erleichtert Anderen den (häufig ebenfalls intuitiven) Zugang zu den manchmal wenig nachvollziehbaren Intuitionen. Der Zugang zur inneren Bilderwelt als Grundlage dafür ist letztlich genauso trainierbar wie das Intuieren selbst.

Was kann Intuition?

Im Folgenden soll zunächst ein zusammenfassender Überblick über die Funktionen gegeben werden, die intuitive Prozesse im Arbeitskontext haben können.

_____Problemlösung und Entscheidungsfindung: Intuitive Kompetenzen bieten die Möglichkeit, unzureichende, überbordende oder sich widersprechende Informationen zu managen, auch dann, wenn eine rein rational orientierte Vorgehensweise überfordert wäre.

_____Umgang mit Komplexität: Intuitive Urteile helfen auch bei hoher Vernetzung und Veränderungsdynamik der problemrelevanten Faktoren handlungsfähig zu bleiben. Metaphorisch gesprochen wird dabei der externen Komplexität von Systemen mit der internen Komplexität unbewusster Prozesse des Menschen begegnet und beides zueinander in Beziehung gesetzt.

_____Förderung von Kreativität: Intuition und die Nutzung unbewusster Potentiale bietet einen Schlüssel für Kreativität und generative Aufgaben. Gerade bei neuen Entwicklungen und Innovationen ist die Fähigkeit zur nichtlogischen Synthese nützlich.

_____Erfassen von Zeitqualitäten: Für die Umsetzung von Projekten oder die Durchführung und Veränderungsmaßnahmen ist neben einer genauen Planung ein Gespür für das «richtige» Timing wichtig. Diese Zeitqualität, auch als Kairos bekannt, richtet sich weniger nach messbaren und kalkulierbaren Faktoren , sondern mehr nach passenden Konstellationen in Abhängigkeit vom individuell Handelnden. Daher lassen sich diese Zeitqualitäten auch kaum rational bestimmen, sondern sie äussern sich eher einem unmittelbaren Handlungsimpuls, wie er von vielen berühmten Unternehmensgründern gerade in turbulenten Anfangsphasen immer wieder berichtet wird.

_____Zukunftsgestaltung: Im Bereich der Arbeit mit Visionen hat Intuition eine doppelte Bedeutung: Zum einen stellt sie bei der Generierung einer Vision den Zugang zu symbolischen, oft unbewussten Bildern her, auch in einem Gruppenprozess. Zum anderen soll eine Vision ja nicht nur ein oberflächliches Hochglanzbild darstellen, sondern Mitarbeiter und Kunden auf einer sinngebenden, oft auch unbewusst-intuitiven Ebene ansprechen und dort wirksam werden.

_____Gestaltung von Interaktion und Beziehung: Informationen in einem Beziehungsfeld werden oft unbewusst und intuitiv wahrgenommen. Der Umgang mit subtilen Signalen, z.B. nonverbale Signale der Mitarbeiter, diffuse Stimmungen oder eigene Körperwahrnehmungen, ist bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen wesentlich.

_____Förderung von Synergie: Bei der Arbeit von Gruppen und Teams ist die gemeinsame Ausrichtung auf Ziele und Leitbilder notwendig, um die Kräfte der Einzelnen zu bündeln und in eine konstruktive, sich ergänzende Beziehung zu setzen. Bei der konkreten Arbeit eines Teams führt intuitive
Abstimmung der Mitglieder aufeinander, als Ergänzung zu expliziten Regeln und Abläufen, zu einer deutlich besseren Performance. Bei exzellenten Musikensembles
oder Teams in sportlichen Disziplinen wird die Fähigkeit zur «wortlosen Kommunikation» und die damit verbundene Leistungssteigerung oft besonders deutlich.

_____Sinn für Wesentliches: Insgesamt scheint Intuition und intuitives Erleben auf Aspekte und Informationen zu deuten, die für den Wahrnehmenden in irgendeiner Weise relevant und bedeutsam sind. So geben intuitive Prozesse nicht nur Informationen über Bedeutsames in der Welt, sondern sie implizieren gleichzeitig eigene Wertsysteme und unbewusste Annahmen über die Wirklichkeit und machen diese so einer bewussten Reflexion zugänglich.

Thursday 28 June 2007

Dialog-Praxis: Intuition als Kompetenz im Dialog

Kennen Sie diese Situation? Im Rahmen eines Gespräches vor einer anstehenden Entscheidung in Ihrem Unternehmen kommt in Ihnen ein Gefühl auf, das zunehmend unangenehmer wird. Zunächst schenken Sie ihm keine Bedeutung, doch dieses Gefühl lässt nicht locker, vielmehr verstärkt es sich noch. Es irritiert Sie mehr und mehr, bis Ihnen schließlich bewusst wird, dass es offensichtlich mit der anstehenden Entscheidung zu tun hat. Sie überlegen jetzt, ob Sie sich im Sinne Ihres Gefühls äußern sollen oder nicht...

Um dieses Phänomen, das Ihnen sicherlich auch aus Alltagserlebnissen bekannt ist, geht es in den folgenden Beiträgen. Die systemische Beratung widmet sich seit einigen Jahren dem Einsatz intuitiver Kompetenz im professionellen Arbeitsalltag von Beratung und Führung. Wie kann der Dialog die intuitiven Potentiale, die jeder Einzelne sicherlich hat und mit denen er manchmal vielleicht nicht so recht umzugehen weiß, im Unternehmen und in Lernprozessen fördern?

Viele Menschen machen in einem guten Dialog die Erfahrung, dass wesentliche Ideen und Erkenntnisse scheinbar aus dem Nichts, aus einem unwillkürlichen Impuls oder vagen "Bauchgefühl" entstehen. Wenn unser Unbewusstes uns mit dem fertigen Ergebnis einer Erkenntnis oder eines Handlungsimpulses konfrontiert, sprechen wir von Intuition.
In der Intuition verdichten sich verschiedene unbewusste Prozesse der Kognition, wie subliminale (unterschwellige) Wahrnehmung, implizites (verwickeltes) Gedächtnis, Antizipation (Vorwegnahme) und insbesondere auch körperliche Signale.

Der amerikanische Neurologe Antonio Damasio (1999) spricht hier von sogenannten "somatischen Markern", Körperempfindungen im allgemeinsten Sinne, deren Bedeutung wir oft nicht sofort inhaltlich zuordnen könnten. Intuitiv-emotionale Prozesse mit ihren Start- und Stopp-Signalen können uns als wertvolle Navigationshilfe im Dialog dienen, die unser Interesse und unsere Aufmerksamkeit auf relevante Ebenen lenkt.

Dialog-Praxis: Im Dialog Konfliktfelder erspüren

Mit dem Dialog Problemfelder erspüren

In der Dialog-Praxis stellen uns diese Prozesse, die rational nicht fassbar und höchst subjektiv sind, allerdings auch vor eine große Herausforderung. Wie teilen wir im Gespräch den anderen diese relevanten Informationen mit? Der Dialog bietet durch seine offene Struktur sehr intuitionsfreundliche Rahmenbedingungen und schafft Raum, die Achtsamkeit gegenüber solchen emotional-körperlichen Prozessen zu trainieren. Anstatt unsere Wahrnehmungen sofort argumentativ legitimieren zu müssen, können wir sie geschützt einbringen und gemeinsam in der Schwebe halten. Dazu müssen wir auch dei Konfusion (Unklarheit) aushalten, die entsteht, wenn ein kontinuierlicher Gesprächsverlauf durch die Intuition unterbrochen wird.
Wie eine Traumsequenz bleibt die intuitive Wahrnehmung ohne weitere Entwicklung und ohne weiteren Kontext fragmentarisch. Oft helfen Metaphern und Analogien im Dialog, diese vagen Eindrücke in Worte zu fassen: "Das Gespräch war wie eine Bergwanderung; lange war das Wesentliche im Nebel, und wir haben nur etwas darin herumgestochert. Dann sind wir immer höher gestiegen und hatten schließlich über dem Nebel freie Sicht auf das ganze Szenario."
Wenn Menschen im Dialog auf intensive Weise in Kontakt kommen, entstehen Verbindungen auf einer unbewusst-emotionalen Ebene, durch die eine Gruppe einen Raum gemeinsamer Intuition öffnet. Gerade in dieser Synergie auf intuitiver Ebene besteht die "transformatorische Kraft des Dialogs" (Ellinor & Gerard 1998)


Intuition im Unternehmensdialog

Indem intuitive Prozesse in den Blick genommen werden, kann der Dialog in Unternehmen und Organisationen deutlich bereichert werden. Lineare Ursache-Wirkungskonzepte können leichter verlassen und MitarbeiterInnen dazu ermuntert werden, vernetzt zu denken, feste Wahrnehmungsgewohnheiten zu ändern und neue Handlungsoptionen zu erproben. Die Intuition steht dabei für ein Bündel verschiedener Kompetenzen wie z.B. der Umgang mit Komplexität und mit Veränderungsprozessen im Unternehmen.


Umgang mit Komplexität

Intuition reduziert die Komplexität von Problemstellungen, indem sie uns relevante Muster zeigt und so hilft, im Chaos hoher Vernetzung und Veränderungsdynamik der Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben. Wenn eine Organisation etwa in der komplexen Vorbereitung und Durchfpührung einer Fusion navigiert, geht es nicht nur um Bilanzen, sondern auch um die Erfassung der psychologischen und sozialen Anforderungen. In Dialogrunden haben Führungskräfte die Möglichkeit, auch die intuitive Einschätzung schwer fassbarer Rahmenbedingungen auszutauschen und zu verdichten: Dabei kann es um die Integrations- und Veränderungsbereitschaft im Unternehmen gehen, um die Konfliktfelder im Zusammentreffen der unterschiedlichen Unternehmenskulturen oder um wesentliche Kommunikationsengpässe.

Changemanagement

In der dialogischen Begleitung komplexer Veränderungsprozesse können wir häufig die Bruchstellen in geplanten Veränderungsprozessen einschätzen und Zusammenhänge der Organisation erkennen, die im Organigramm verborgen bleiben. Besonders wenn die Datengrundlage zu knapp, ausufernd oder einfach widersprüchlich ist, verarbeiten wir im Dialog solche rational schwerfassbaren Informationen auf der intuitiven Ebene. Bei der Durchführung von Veränderungsmaßnahmen liefert uns die Intuition schließlich ein Gespür für den "Kairos", das "richtige" Timing und den "stimmigen" Zeitpunkt von Aktionen, die sich rational kalkulieren lassen.

Strategieentwicklung – Ein Praxisbeispiel

Die besondere Rolle der Intuition im Dialog zeige ich am Beispiel der Strategieentwicklung eines mittelständischen Beratungsunternehmens im Bereich Human Ressource während der Gründungsphase. Mit der strategischen Ausrichtung wollten die vier Gesellschafter eine gemeinsame geschäftsleitende Unternehmensvision entwickeln und diese in Ziele und Maßnahmen übertragen. Der hier zugrunde liegende strategische Visionsansatz versucht, insbesondere das implizite Wissen der Führungskräfte um zukünftige Markt- und Unternehmnsentwicklungen zu nutzen.

Entwerfen von Zukunftsannahmen

In der ersten Phase der Strategieentwicklung entwarfen die Geschäftsführer in gemeinsamen Workshops Zukunftsannahmen über allgemeine Entwicklungen in den Bereichen Markt, Technik, Politik und Kultur. Aus solchen Zukunftsannahmen werden mögliche Chancen und Bedrohungen abgeleitet. Der Intuition kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie den Schlüssel zur Antizipation (Vorausschau) zukünftiger Tendenzen darstellt.
Der Prozess verlief methodisch in einem Dreischritt: In einer Phantasiereise wurden die Teilnehmer der Strategieentwicklung in "die Zukunft geführt", wo sie ihre Zukunftsannahmen in Form von Bildern und Szenarien erleben konnten. In Dialogrunden wurden dann die so gewonnenen Ergebnisse inhaltlich von dieser Gruppe weitergeführt. Das so entschleunigte Gespräch ließ Raum dafür, die Mosaiksteine der individuellen Erfahrungen zu einem gemeinsamen Bild zusammenzusetzen. Die Teilnehmer berichteten, dass im Dialog eine Art positiver Gruppen"aufmerksamkeit" entstanden sei, die es ermöglichte, gemeinsam relevante Zukunftsszenarien zu vertiefen. Schließlich wurden die Erkenntnisse in einer gemeinsamen Begriffs- und Kategorienbildung verarbeitet. Das Dialogverfahren hatte in diesem Prozess die Funktion, die Brücke von der introspektiven Einzelarbeit zur strukturierten Gruppenarbeit zu schlagen.

Bilden von strategischen Metaphern

In der zweiten Phase der Strategieentwicklung sollten die Zukunftsannahmen in einzelnen Arbeitsbereichen des Unternehmens durch kreative Impulse angereichert werden. Dazu wurden in den Dialog sogenannte "Strategeme" eingeführt: Fragen, die als Kristallisationspunkte für neue Ideen dienten und feste Denkgewohnheiten aufbrachen. Um zu dem Dienstleistungsangebot "Konfliktberatung und Krisenintervention" kreative Ideen zu entwickeln, wählte die Gruppe das Strategem "Strategische Verwandtschaft", mit der Frage: Wie hat man die Aufgabe in anderen Arbeitsbereichen gelöst, und was lässt sich daraus lernen? Ein Gesellschafter hatte dazu intuitiv das Bild: "Krisenberatung ist, wie einen Brand zu löschen". Im Dialog entwickelten sich anhand dieser strategischen Metapher weitere Ideen: Berater müssen bereit sein, für ihre Kunden "ins Feuer zu gehen" (d.h. sich heiklen Situationen stellen), müssen schnell und effektiv intervenieren und die Gefahren abschätzen können. Sie müssen aber auch wirkungsvollen "Brandschutz" leisten (Konfliktprophylaxe) und nach einer Krise beim "Wiederaufbau" helfen. Darüber hinaus konnten die Teilnehmenden im Dialog auch eigenen Erfahrungen mit Krisensituationen und deren Lösung vertiefen und in die Strategieentwicklung einfließen lassen.

Aufdecken von Konfliktfeldern bei der Implementierung


In der dritten Phase der Strategieentwicklung wurden die Anforderungen und Aufgaben, die sich aus der Strategievision für das Unternehmen ergeben, konkretisiert. Die Dialogrunden boten Raum, mögliche Konfliktfelder in der Umsetzungsphase der Strategie oder Kommunikationsengpässe auch intuitiv abzuschätzen.
Ein eindrucksvolles Beispiel für einen intuitiven Prozess ergab sich in einem strategischen Dialog der Gesellschafter über das weitere Vorgehen bei der Implementierung. Der Dialog kam plötzlich ins Stocken; einer der Beteiligten spürte einen zunehmend unangenehmen Druck im Kopf, ein anderer klagte über Konzentrationsschwäche und ein Dritter reagierte mit einer für ihn unerklärlichen Unruhe und Aggression. Zunächst ließen sich diese Phänomene nicht erklären und sorgten für Irritation. Die Gruppe beschloss jedoch, die Symptome nicht einfach zu ignorieren, sondern sie "in der Schwebe zu halten" und als intuitive Information im Dialog zu bewerten. Nach einiger Zeit wurde deutlich, dass ein nicht geklärter Konflikt mit einem fehlenden Gruppenmitglied entscheidend auf die weitere Planung Einfluss nehmen würde. Als dies offiziell in die weiteren Planung einbezogen wurde, änderte sich die Stimmung schlagartig, die Körpersymptome verschwanden und die Gruppe konnte mit Energie an den weiteren Umsetzungsschritten arbeiten.
In diesem Fall äußerte sich die Intuition stark körperlich und deutete auf einen übersehenen Konflikt hin, der die weitere Kooperation in der Umsetzung der Strategie deutlich behindert hätte. Die Dialog-Teilnehmer äußerten danach, dass der Dialog sich besonders dazu eignete, Problemfelder zu "erspüren", die an dieser Stelle nicht bewusst sind oder zum Teil verdrängt wurden. Im Dialog war es dann möglich, eine Brücke zur bewussten Wahrnehmung zu schlagen und damit die Möglichkeit zur Reflexion und zur Problemlösung zu eröffnen.

Vertiefen der strategischen Vision

Die Entschleunigung in den Dialogrunden eröffnete während des gesamten Prozesses der Strategieentwicklung immer wieder den Zugang zu intuitiven und kreativen Ressourcen. Darüber hinaus konnten die Teilnehmenden die unterschiedlichen mentalen Modelle, die sie der strategischen Ausrichtung zugrunde legten, reflektieren und ein gemeinsmaes Verständnis von der Mission des Unternehmens, das die Einzelinteressen bündeln kann, entwickeln. Im weiteren Prozess verdichtete sich so eine unternehmerische Vision mit kraftvollen, symbolischen Leitbildern, die sich nicht nur in Hochglanzpapieren niederschlug, sondern die beteiligten Gesellschafter auf einer sinngebenden, intuitiven Ebene ansprechen konnte.

Literatur
Damasio, A. (1999): Descartes´Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. dtv Verlag
Ellinor, L. Gerard, G. (1998): Der Dialog im Unternehmen. Knaur Verlag
Hänsel, M. (2001): Intuition als Beratungskompetenz in Organisationen, Dissertationsschrift an der nmed. Fakultät der Universität Heidelberg
Micic, P. (2001): Der Zukunftsmanager. Haufe Verlag

Wednesday 27 June 2007

Dialog in bestehenden Organisationen

Bis jetzt haben wir hauptsächlich Dialoge besprochen, welche Personen mit eher unterschiedlichem Hintergrund zusammenbringen. Sein großer Wert kann aber auch von Mitgliedern einer bestehenden Organisation erfahren werden; als Methode, die Kreativität des Unternehmens zu fördern und zu bereichern.

In diesem Fall wird sich der Dialogprozess entscheidend verändern. Die Mitglieder einer bestehenden Organisation werden wahrscheinlich schon unterschiedliche Beziehungen untereinander und mit ihrer Organisation entwickelt haben. Da gibt es vielleicht eine existierende Hierarchie oder ein starkes Bedürfnis, Kollegen, das Team oder eine Abteilung zu schützen. Da könnte es Ängste geben, Gedanken zu formulieren, die als Kritik an Ranghöheren oder an Normen innerhalb der Organisationskultur gesehen werden. Es könnte so scheinen als wären Karrieren oder die soziale Akzeptanz einzelner Mitglieder durch eine Teilnahme an einem Prozess gefährdet, der Transparenz, Offenheit, Ehrlichkeit Spontaneität und ein tiefes gegenseitiges Interesse an anderen betont. Lang verborgene Wunden können aufbrechen.

In einer bestehenden Organisation ist es sehr wahrscheinlich, dass der Dialog mit einer Untersuchung all jener Zweifel und Ängste beginnen muss, welche die Teilnahme sicherlich hervorbringt. Vielleicht müssen Mitglieder mit einer ziemlich genauen Agenda beginnen, von der sie dann auch ermuntert werden, abzuweichen. Das ist anders als mit den einmaligen oder selbstgewählten Gruppen, in denen TeilnehmerInnen mit jedem Gesprächsgegenstand beginnen können. Aber wie schon gesagt, kein Thema sollte ausgeklammert werden, denn schon der Impuls, bestimmte Themen auszuschließen, ist reiches Material für eine Erkundung.

Die meisten Organisationen haben an sich schon vorbestimmte Ziele und Zwecke, die selten in Frage gestellt werden. Auf den ersten Blick scheint das vielleicht nicht zusammenzupassen mit dem freien und offenen Spiel der Gedanken, das für den Dialogprozess so wesentlich ist. Aber auch das kann gemeistert werden, wenn den TeilnehmerInnen von Anfang an geholfen wird, zu sehen, wie wichtig das Berücksichtigen dieser Themen für das Wohlbefinden der Organisation sein kann und dass damit sowohl die Selbstachtung der TeilnehmerInnen als auch die Wertschätzung durch andere vermehrt werden kann.

Das kreative Potential von Dialog ist groß genug und gestattet das zeitweise in Schwebe halten jeglicher Strukturen und Beziehungen, welche die Organisation ausmachen.


Schließlich wollen wir betonen, dass wir Dialog weder als Allheilmittel noch als Methode oder Technik sehen, die geschaffen ist, um an die Stelle aller anderen Formen sozialer Interaktionen zu treten. Nicht jede/r wird ihn nützlich finden, noch wird er in jedem Kontext brauchbar sein. Es gibt viele wertvolle therapeutische Methoden für Gruppen und es gibt auch genug Aufgaben, die eine starke Führung und eine straffe Organisationsstruktur verlangen.

Eine Menge der hier geschilderten Arbeit kann selbständig getan werden, und wir wollen sehr dazu ermutigen. Viele der hier vorgestellten Ideen sind immer noch Gegenstand des fortwährenden Forschens. Sie sind nicht als unabänderlich zu betrachten, sondern können in Ihrem eigenen Dialog hinterfragt werden.

Dialog soll ein freies Spiel sein, eine Art gemeinsamer Tanz unseres Geistes, der trotzdem immense Macht hat und kohärenten Sinn ergibt. Einmal begonnen, wird er ein ständiges Abenteuer, das den Weg für bedeutende und kreative Veränderungen bereitet.

Wie man einen Dialog beginnt

In der Schwebe halten von Gedanken, Impulsen. Beurteilungen, usw. bilden das eigentliche Herzstück des Dialogs. Es ist einer seiner wichtigsten neuen Aspekte. Es wird nicht so leicht verstanden, denn diese Aktivität ist sowohl ungewohnt als auch subtil. In Schwebe halten involviert Achtsamkeit, Zuhören, Zuschauen und ist essentiell für das Erkunden. Sprechen ist natürlich wichtig, denn ohne Sprechen gäbe es im Dialog nichts zu erkunden, aber der eigentliche Prozess des Erkundens findet beim Zuhören - den andern und auch sich selber - statt. In Schwebe halten heißt, Reaktionen, Impulse, Gefühle und Meinungen in einer Art offenzulegen, dass sie in der eigenen Psyche wahrgenommen und gespürt werden, und von anderen in der Gruppe gespiegelt werden können. Es bedeutet nicht, sie zu unterdrücken oder sie für später aufzuschieben. Es bedeutet einfach, ihnen ernsthafte Aufmerksamkeit zu schenken, so dass ihre Struktur beobachtet werden kann während sie stattfinden. Wenn sie fähig sind, jenen starken Gefühlen Aufmerksamkeit zu schenken, die das Aussprechen eines bestimmten Gedankens begleiten - von ihnen oder jemand anders - und fähig sind, diese Aufmerksamkeit zu halten, wird sich der Gedankenprozess verlangsamen. Dies erlaubt ihnen dann die tiefere Bedeutung, die diesem Gedankenprozess zugrunde liegt, zu sehen und die oft zusammenhanglose Struktur irgendeiner Handlung wahrzunehmen, die sie sonst möglicherweise automatisch ausführen. Wenn die Gruppe auch imstande ist, solche Gefühle in Schwebe zu halten, und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, kann der allgemeine Prozess, der vom Gedanken über das Gefühl zum Ausagieren in der Gruppe führt, verlangsamt werden und seine tiefere, subtilere Bedeutung wird zusammen mit impliziten Verzerrungen sichtbar. Das wiederum führt zu einer neuen Art der kohärenten, kollektiven Intelligenz.

Gedanken, Impulse, Beurteilungen, usw., in Schwebe zu halten, erfordert wirkliche Achtsamkeit für den gesamten Prozess, den wir besprochen haben - sowohl den eigenen als auch den der Gruppe. Das erfordert anfangs viel Mühe. Aber wenn man durchhält, entwickelt sich die eigene Fähigkeit für eine derartige Achtsamkeit ständig weiter, sodass immer weniger Anstrengung erforderlich ist.

Anzahl der TeilnehmerInnen: Ein Dialog funktioniert am besten mit zwanzig bis vierzig Personen, die sich in einem einfachen Kreis gegenübersitzen. Diese Gruppengröße ermöglicht das Auftauchen und Beobachten von verschiedenen Untergruppen oder Subkulturen, was das Aufdecken von verschiedenen Arten des kollektiven Denkens unterstützt. Das ist wichtig, denn die Unterschiede zwischen diesen Subkulturen sind oft eine unerkannte Ursache von misslungener Kommunikation und schwelenden Konflikten. Kleineren Gruppen fehlt oft die notwendige Verschiedenheit, um diese Tendenz zu sehen und man wird im allgemeinen die vertrauteren, persönlichen Rollen und Beziehungen (z.B. Familienrollen und -beziehungen) betonen.

In einigen Gruppen hatten wir sogar sechzig TeilnehmerInnen, aber mit einer so großen Gruppe wird der Prozess schwerfällig. Es braucht zwei konzentrische Kreise, damit alle einander hören und sehen können. Das bringt jenen in der zweiten Reihe einen Nachteil, und außerdem haben weniger Personen Gelegenheit zu sprechen.

Wir sollten hier erwähnen, dass manche TeilnehmerInnen sehr viel sprechen und andere es schwierig finden, vor einer großen Gruppe zu reden. Es ist doch wertvoll sich daran zu erinnern, dass das Wort "partizipieren" zwei Bedeutungen hat: "teilen mit" und "teilhaben an". Zuhören ist mindestens so wichtig wie sprechen. Oft werden die Ruhigeren mehr zu sprechen beginnen, sobald ihnen die Dialogerfahrung vertrauter wird, und die Dominanteren werden dazu tendieren, immer weniger zu sprechen und mehr zuzuhören.

Zeitdauer: Ein Dialog braucht Zeit bis er fließt. Er ist eine ungewohnte Art, mit andern zusammen zu sein, und daher braucht es eine Art Einführung. Aber sogar mit einer klaren Einführung wird eine Gruppe Verwirrung, Frustration und Befangenheit erleben und sich fragen, ob sie nun eigentlich Dialog führt oder nicht. Es wäre sehr optimistisch anzunehmen, dass ein Dialog schon beim ersten Treffen zu fließen beginnt oder eine gewisse Tiefe erreicht. Es ist wichtig zu betonen, dass einige Ausdauer nötig ist.

Wenn man einen Dialog einberuft, ist es nützlich, sich gleich anfangs über die Dauer der Sitzung zu verständigen und jemanden zu haben, der/die auf die Zeit achtet. Wir haben herausgefunden, dass zwei Stunden eine optimale Dauer sind. Längere Sitzungen riskieren einen Müdigkeitsfaktor, der oft die Qualität der Teilnahme einschränkt. Viele T-Gruppen nutzen den Müdigkeitsfaktor in ausgedehnten "Marathonsitzungen", um den Widerstand seitens der TeilnehmerInnen zu brechen. Aber Dialog beschäftigt sich mehr damit, soziale Konstrukte und Widerstände, die unsere Kommunikation beeinträchtigen, zu erforschen anstatt sie zu umgehen.

Je regelmäßiger sich die Gruppe trifft, desto tiefer und sinnvoller wird das Terrain erforscht werden. Oft wurden Wochenenden dazu verwendet, mehrere Sitzungen zu ermöglichen, aber wenn der Dialog sich über eine längere Zeitspanne erstreckt, raten wir zu einer Woche Pause zwischen jedem Treffen, damit jede/r das Gesagte reflektieren und weiterdenken kann. Es gibt kein zeitliches Limit für Erkunden in der Gruppe. Es wäre gegen den Geist von Dialog, das festzulegen oder zu institutionalisieren. Es bedarf auch der Offenheit für einen sich ständig ändernden Teilnehmerkreis, sich verändernde Termine oder für sich einschleichende Starrheiten, oder einfach dafür, dass sich die Gruppe nach einiger Zeit auflöst.


Führung:
Ein Dialog ist im wesentlichen ein Gespräch unter Gleichberechtigten. Jegliche Kontrolle, gleichgültig wie achtsam und sensibel, wird wahrscheinlich den freien Fluss der Gedanken sowie subtile oder unangenehme Gefühle verhindern und deren Ausdruck hemmen. Dialog kann leicht manipulierend eingesetzt werden, aber das passt nicht zu dem Geist. Hierarchie hat keinen Platz im Dialog.

Und doch ist anfangs eine Anleitung notwendig, um den TeilnehmerInnen zu helfen, die feinen Unterschiede zwischen Dialog und anderen Gruppenprozessen zu erkennen. Mindestens einer oder besser zwei erfahrene DialogbegleiterInnen sind unentbehrlich. In ihrer Rolle sollten sie gelegentlich auf Situationen hinweisen, die wesentliche Punkte für die Gruppe enthalten, kurz, sie sollten den Prozess der kollektiven Selbstwahrnehmung fördern. Diese Interventionen sollten sich aber nie aufdrängen oder manipulieren. Die Führenden sind TeilnehmerInnen wie alle anderen auch. Anleitung, wenn sie sich als notwendig erweist, sollte immer "aus dem Hintergrund" erfolgen und aus dem Bestreben erwachsen, sich so rasch wie möglich überflüssig zu machen.

Diese Ausführungen sind jedoch kein Ersatz für erfahrene DialogbegleiterInnen. Wir empfehlen, mit der Gruppe am Anfang des ersten Treffens alles durchzulesen, so dass alle TeilnehmerInnen sicher sein können, sich auf das gleiche Abenteuer einzulassen.

Gesprächsgegenstand: Der Dialog kann mit jedem beliebigen Thema, das die TeilnehmerInnen interessiert, beginnen. Wenn einige in der Gruppe finden, dass bestimmte Wortwechsel oder Themen störend oder unpassend sind, ist es wichtig, dass sie diese Gedanken im Dialog ausdrücken. Keine Inhalte sollten ausgeklammert werden.

Oft werden Teilnehmer erst nach der Sitzung Kritik oder Frustration äußern oder zu tratschen beginnen. Es ist aber genau jenes Material, das den fruchtbarsten Ansatz dafür bietet, den Dialog in tiefere Bereiche und Zusammenhänge jenseits der Oberflächlichkeit von "group think", guter Manieren oder Partykonversation zu bewegen.

Der Dialogprozess: Die Arbeit mit dem Dialog

In der Fortsetzung dieser Arbeit wurde uns immer klarer, dass dieser Dialogprozess ein sehr wirksames Mittel ist, zu verstehen, wie Denken funktioniert. Wir sahen, dass unsere Welt fast ausschließlich von menschlicher Initiative und folglich von menschlichem Denken erschaffen wird. Der Raum, in dem wir sitzen, die Sprache, in der diese Worte geschrieben sind, unsere nationalen Grenzen, unsere Wertsysteme, und sogar das, was wir für unsere direkte Wahrnehmung der Realität halten, sind eigentlich Manifestationen der Art und Weise, wie Menschen denken oder gedacht haben. Wir begreifen, dass wir Krisen nicht bewältigen und nicht mehr als temporäre Lösungen für die gewaltige Menge menschlicher Probleme finden können, wenn wir nicht willens sind, die Situation genauer anzuschauen und tiefere Einsichten daraus zu gewinnen.

Wir verwenden das Wort "Gedanke" hier nicht ausschließlich als Bezeichnung für die Ergebnisse unseres bewussten Intellekts, sondern auch als Bezeichnung für unsere Eindrücke, Gefühle, Absichten und Wünsche. Es schließt auch subtiles, konditioniertes Lernen ein, wie jenes, welches uns gestattet, der Szenenfolge eines Kinofilms Sinn zu geben oder abstrakte Symbole auf Straßenschildern zu verstehen. Dazu gehören auch die stillen, nicht sprachlichen Prozesse, die wir benützen, wenn wir uns mechanische Basisfähigkeiten wie Radfahren aneignen. Im Wesentlichen ist ein Gedanke sozusagen die aktive Reaktion des Gedächtnisses auf jede Lebensphase. Im Grunde genommen wird unser gesamtes Wissen in Form von Gedanken generiert, entwickelt, kommuniziert, verändert und angewandt.

Damit diese Auffassung noch deutlicher wird, schlagen wir vor, mit Hilfe von ein wenig Achtsamkeit auch das, was man rationales Denken nennt, als konditionierte Reaktionen, die von früheren Gedanken gesteuert sind, wahrzunehmen. Wenn wir das, was wir im allgemeinen für die Realität halten, genau betrachten, dann beginnen wir zu sehen, dass sie eine Ansammlung von Konzepten, Erinnerungen und Reflexen ist, die ihrerseits von unseren persönlichen Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen gefärbt sind. Diese wiederum werden vom Umfang unserer Sprache, unseren historischen, geschlechtsbezogenen und kulturellen Gewohnheiten eingeschränkt und verzerrt. Es ist sehr schwierig, dieses Durcheinander zu analysieren oder jemals sicher zu sein, ob unsere Wahrnehmung - oder das, was wir über diese Wahrnehmung denken - überhaupt stimmt.

Was diese Situation so ernst macht ist, dass unser Denken diese Probleme im allgemeinen vor unserem unmittelbaren Bewusstsein verbirgt und uns erfolgreich vorgaukelt, die Methode mittels derer jeder einzelne die Welt interpretiert, sei die einzig vernünftige.
Wir brauchen ein Mittel, das den Denkprozess verlangsamt, sodass wir ihn beobachten können noch während er abläuft.

Unsere physischen Körper haben eine Fähigkeit, die dem Denken fehlt. Wenn sie einen Arm heben, dann wissen sie, dass sie diese Aktion ausführen wollen, dass es nicht jemand anderer ist, der es für sie tut. Dies nennen wir Propriozeption oder Eigenempfindung. Wir können uns unserer Körperbewegungen bewusst sein noch während sie ablaufen, aber im Bereich des Denkens fehlt uns diese Fähigkeit meistens. Ein Beispiel: Wir bemerken nicht, wie unsere Haltung einer bestimmten Person gegenüber stark davon beeinflusst wird, wie wir über jemand dritten denken, der im Verhalten oder Aussehen dieser Person gleicht. Wir gehen davon aus, dass unsere Haltung direkt vom momentanen Verhalten unseres Gegenübers bestimmt ist. Das Problem mit dem Denken ist: Jene Art der Achtsamkeit, die nötig ist, um die Inkohärenz zu bemerken, steht uns dann, wenn wir sie am dringendsten brauchen, selten zur Verfügung.

Was Dialog nicht ist

Dialog ist nicht Diskussion, ein Wort das die Wurzel "discutere" hat, was "zerschlagen", zerteilen bedeutet. Er ist auch nicht Debatte. Diese Formen der Konversation enthalten die implizite Tendenz auf ein Ziel hinzusteuern, ein Übereinkommen zu erzielen, ein Problem zu lösen, oder eine Meinung als vorherrschende herauszuarbeiten. Er ist auch kein "Salon", eine Zusammenkunft, die zugleich informell ist, meist unterhaltenden Charakter hat, Freundschaften fördert und Gerüchte und andere Informationen in Umlauf bringt. Obwohl das Wort Dialog oft in ähnlichen Zusammenhängen verwendet wird, impliziert seine tiefere, ursprüngliche Bedeutung kein primäres Interesse an dem vorher geschilderten.

Dialog ist kein neuer Name für T-Gruppen oder Selbsterfahrungsgruppen, obwohl es oberflächlich gesehen einige Ähnlichkeit mit diesen und anderen verwandten Arten der Gruppenarbeit hat. Seine Auswirkungen mögen therapeutisch sein, aber er versucht weder, jemanden von seinen emotionalen Blockaden zu befreien, noch jemanden zu unterweisen, schulen oder zu analysieren. Nichtsdestoweniger ist es ein Bereich, wo Lernen und die Auflösung von Blockaden stattfinden kann und oft stattfindet. Er ist keine Technik, für das Lösen von Problemen oder Konflikten, obwohl sehr wohl Probleme im Laufe eines Dialogs oder vielleicht später als Folge eines erweiterten Gemeinschaftsverständnisses der Teilnehmer gelöst werden können. Er ist, wie wir schon betont haben, primär ein Mittel, um das Gebiet des Denkens zu erforschen.

Dialog gleicht und enthält vielleicht manchmal Aspekte von andern Formen der Gruppenarbeit, aber eigentlich ist er etwas Neues in unserer Kultur. Wir glauben, dass er eine Aktivität ist, welche sich als überlebenswichtig für die zukünftige Gesundheit unserer Zivilisation herausstellt.

Dialog - was ist das?

Das Wort Dialog geht auf zwei griechische Wurzeln zurück:
dia (was »durch« oder »miteinander« bedeutet) und
logos (»das Wort«).

Der Dialog hat Auswirkungen auf das Wesen der kollektiven Aufmerksamkeit und auf die Qualität des Zuhörens.

Laut David Bohm enthält der Begriff auch die Assoziation von
»durchfließender Bedeutung«.*


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* Diese Ableitung weckt das Bild oder die Vorstellung eines Bedeutungsstroms, der zwischen und durch uns hindurchfließt. Das ermöglicht einen Bedeutungsfluß in der gesamten Gruppe, aus dem sich ein neues Verständnis ergibt. (David Bohm, Physiker, On Dialogue , Natur des Denkens, 1990, Ojai, Californien)
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Der Dialog-Prozess: Unstimmigkeit als Chance

Eine Dialoggruppe reagiert immer sensibel auf solche Augenblicke, in denen kaum wahrnehmbare Störung an die Oberfläche kommt. Unweigerlich taucht in solchen Momenten der Gedanke auf:
»Lasst uns einfach weitermachen. Das hier ist doch bloße Wortklauberei.«

Aber vielleicht lässt sich die Meinungsverschiedenheit doch nicht so schnell ausräumen, vielleicht ist die Abweichung keineswegs nur rein begrifflich und von untergeordneter Bedeutung. Der helfende Begleiter muss dann in der Tat eingreifen und sagen:
»Sinn und Zweck der Übung ist nicht »einfach weiterzumachen«, sondern zu untersuchen, ob diese möglicherweise subtilen Unstimmigkeiten uns zeigen, wo wir mehr in die Tiefe gehen sollten.«

Der Augenblick auftretender Störungen ist ein Grund zur Freude.
»Diese kleine Diskrepanz ist faszinierend. Sie bietet eine wirkliche Chance. Lasst sie uns nicht vertun.
Lasst uns ein wenig innehalten, das Band ein Stückchen zurückspielen und uns einmal genauer anschauen, was unter der Oberfläche eigentlich wirklich geschieht...«

Wenn es keinerlei Abweichungen oder Meinungsverschiedenheiten gibt, ist das möglicherweise ein Anzeichen dafür, dass die Gruppe zu schnell vorangeht.

Oftmals entwickelt sich gerade zwischen Gruppenmitgliedern mit den gegensätzlichsten Standpunkten eine starke Sympathie, so als ob die Zuneigung gerade durch diese Verschiedenartigkeit gefördert würde.
Man hört dann häufig Äußerungen wie:
»Ist es nicht faszinierend, dass Du so unterschiedlicher Auffassung bist? Warum empfindest Du so?
Wie bist Du zu diesen Standpunkt gekommen?

Der Dialog-Prozess: Der Wert aufgehobener Annahmen

– Eine der Zielsetzungen bei der Suspension von Annahmen besteht darin, die Leidenschaft zu würdigen, die hinter dem Standpunkt eines jeden Teilnehmers steckt (und mit der er seinen Standpunkt auch vertritt), ohne dass diese Hingabe zu einem Hemmschuh wird.

– Niemand, wird gezwungen seinen Standpunkt aufzugeben.
Niemand soll seine Auffassungen den anderen aufnötigen, und von keinem wird erwartet, dass er schweigt und seine Reaktionen unterdrückt, wenn er mit der vorherrschenden Mehrheitsauffassung nicht einverstanden ist.
Die Annahmen hängen in der Mitte des Raumes, zugänglich für alle (einschließlich der Person, der sie zuzuordnen sind), damit man sie näher untersuchen und hinterfragen kann.

Metapher:
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Wir heben unsere Annahmen buchstäblich auf, hängen sie vor uns in die Luft, aneinandergereiht wie an einem Band, das ein paar Zentimeter vor unserer Nase schwebt.
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Annahmen zu suspendieren ist ein schwieriges Unterfangen. Sie sind eng verknüpft mit unseren tiefsten
Überzeugungen und Wertvorstellungen. Wenn jemand sie in Frage stellt, verletzt er damit unsere innersten Gefühle. Gewöhnlich schützt man seine Annahmen vor allzu neugieriger Betrachtung, anstatt zum Beispiel zu sagen:
»Könnten Sie mir dabei helfen, mehr über meine tiefsten Überzeugungen zu erfahren, als mir bislang bewußt ist?«

Die Bereitschaft, unsere Annahmen zu suspendieren, impliziert eine gewisse Zuversicht:

Wir vertrauen darauf, dass unsere tiefsten Überzeugungen, wenn sie wertvoll sind, einer eingehenden Betrachtung durch andere standhalten werden. Wenn nicht, dann werden wir stark und offen genug sein, um sie zu überdenken.

Grundlegende Bestandteile einer Dialogsitzung

- Einladung:
Der Einladungsprozess beginnt mit dem Aufbau des Containers.
Die Teilnehmer müssen die Möglichkeit haben, daran mitzuarbeiten.

- Intensives Zuhören
bedeutet, dass man dem, was zwischen den Zeilen gesagt wird, große Aufmerksamkeit schenkt.
Sie hören nicht nur der »Musik zu, sondern achten auch genau auf den Wesenskern der gerade sprechenden Person.
Sie nehmen nicht nur wahr, was jemand weiß, sondern auch was er oder sie ist."

Kreatives Zuhören ist die Kunst, eine tiefere Stille in uns selbst zu erzeugen, so dass wir unsere geistige Wahrnehmung dem natürlichen Tempo unserer Ohren anpassen (Schallgeschwindigkeit langsamer, als Augen mit Lichtgeschwindigkeit sehen) und die tiefere Bedeutung der gehörten Worte erfassen können.

- Den Beobachter beobachten
Wenn wir die Gedanken beobachten, die unsere Sicht der Welt beherrschen, beginnen wir, uns selbst zu verändern und zu entwickeln – und das gilt sowohl für eine Gruppe als auch für ein Individuum.
Viele der Dialogtechniken – wie das Schweigen – hängen mit der Schaffung einer Umgebung zusammen, die so ruhig und entspannt ist, dass jeder seine Gedanken, und die der Gruppe, genau beobachten kann.
Wenn das gelingt, sind Veränderungen ohne bewußte Manipulation möglich.

- Annahmen »aufheben«
Der Dialog ermutigt die Teilnehmer, ihre Annahmen aufzuheben, sie zu »suspendieren«.
Das heißt, wir verzichten darauf, anderen unsere Auffassungen aufzunötigen und vermeiden es, das was wir denken, zu unterdrücken oder zurückzuhalten.
Das Wort »Suspension« hat – im medizinischen Sinne – noch eine weiter Bedeutung, nämlich (Glieder) »aufhängen« beziehungsweise »hochhängen«.
Unser Denkgewohnheiten, Annahmen und Unterstellungen vor uns »aufhängen« , so dass wir und andere darüber reflektieren können, ist eine schwiereige und beeindruckende Kunst.

Es bedeutet nicht, dass man seine Annahmen aufgibt, nicht einmal vorübergehend, um zu prüfen, wie sie aussehen würden, wenn man anders empfinden würde.
Es bedeutet, dass man seine Annahmen unter neuen Blickwinkeln erforscht:
– um sie weiterzuentwickeln,
– sie deutlich zu machen,
– ihnen ein beträchtliches Gewicht zu verleihen und um zu verstehen, wie sie entstanden sind.
Man hängt seine Annahmen buchstäblich vor der Gruppe auf, damit man sie als Team gemeinsam verstehen kann.

Will man den Begriff »Suspension« wirklich erfassen, so muss man ihn unseres Erachtens als eine Reihe von Tätigkeiten betrachten und nicht bloß eine.

1.
Zuerst werden die Annahmen an die Oberfläche gebracht.
Man muss die Annahmen sehen, bevor man sie aufheben kann.
Typischerweise sind sich die anderen genauer über unsere Annahmen im klaren als wir selbst, allerdings weniger über unsere Absichten.
Wenn die Gruppe die Beziehung zwischen Voraussetzungen und Intentionen (lat. Anspannung; Eifer) näher untersucht, hat der Suspensionsprozess begonnen.

2. Dann werden die Annahmen entfaltet. (Bild: Akt des Entfaltens: assoziiert mehrere Bilder!)
Dabei werden die Annahmen auseinandergebreitet, so dass wir und alle anderen sie betrachten können.
Der Akt des Entfaltens ist selbst eine Art Suspension.

3. Der dritte Schritt ist die Erkundung:
Suspension mit der Absicht, andere zu ermuntern, neue Aspekte in dem zu entdecken, was wir denken und sagen.

Die Förderung des Dialogs

Anmerkungen für und über den Dialog-»Spezialisten«.


Fragenkatalog für den helfenden Begleiter

Wie fasse ich auf, was hier gesagt wird?
Wer bin ich, während ich hier zuhöre?
Was bin ich in dieser Szene?
Von welchem Punkt in mir selbst aus höre ich zu?
Bin ich »sie« (die Gruppe)? Bin ich das Schweigen? Bin ich meine Gedanken? Bin ich meine Störungen?
Was sind die Faktoren, die den Container erweitern oder fragmentieren könnten?
Wer befindet sich hier gerade in einer emotional empfindlichen Situation?
Wer wird hier Anerkennung haben wollen?
Wer wird den Gesprächsverlauf ständig anpassen und verbessern wollen?
Wer wird die Konfrontation mit dem helfenden Begleiter suchen?
Wer wird Einwände gegen den Dialogprozess erheben? *

* Einige Bestandteile dieser Fragen stammen aus der Arbeit von Cliff Barry über die Diagnose und Heilung grundlegender Identitätsverletzungen, die Teilnehmer in ihre Gruppen hineintragen.

Zur Vertiefung:
http://thinkg.net/david_bohm/bohm_dialog_vorschlag.html

Wesenszüge aus der Gestaltung einer Dialogsitzung

(nützliche Anhaltspunkte für Teams)

Der Aufbau und die Förderung des Dialogs ist eine Disziplin für sich, deren Verständnis Respekt und Hingabe erfordert.


»Tätiges Innehalten«
Viele Leute behaupten, dass die beste Strategie für die Bewältigung schwieriger Probleme im Grunde weder darin besteht, über Lösungsmöglichkeiten nachzudenken noch sie zu diskutieren, sondern einfach zu handeln.
Beim echten Dialog denken wir allerdings nicht über unser Tun nach,

– sondern wir tun etwas für unser Denken.
– Wir sprechen auf eine Weise, die tiefere Einsichten vermittelt und den Denkprozess transparent macht.

Das kann wesentlich effektiver sein als alle anderen Maßnahmen, die Sie ergreifen – auch wenn es für einen Außenstehenden so aussieht, als ob nicht viel geschieht.


Entschiedene Absicht, aber keine Entscheidung
Der Dialogprozess fördert die Entwicklung einer gemeinsamen Erkundungs-Intention. (das englische Wort »Inquiry« – »Erkundung, Frage« – stammt von dem lateinischen Wort inquaerere ab, »im Innern suchen«.)

Der Dialog wird scheitern, wenn wir ihn ausschließlich auf die Funktion der Entscheidungsfindung reduzieren.
Das würde den freien Fluss der Erkundung blockieren.
(Der englische Begriff »Decision« geht auf das lateinische Verb decidere zurück und bedeutet wörtlich »Optionen töten«.)
Am besten ist es daher, sich dem Dialog unvoreingenommen zu nähern, ohne ein bestimmtes Ergebnis im Hinterkopf zu haben, aber in dem Bestreben, tiefer in die Materie einzudringen, eben neue Optionen zu erkunden, gleichgültig, wohin uns das führen mag.


Ein sicherer Rahmen birgt Gefahren

Oftmals äußern wir den Wunsch nach einer sicheren Umgebung, in der wir schwierige Themen und Beziehungen untersuchen können.
Die Sicherheit im Dialog resultiert aber direkt aus der Bereitschaft, sich auf das Unbekannte, das Gefährliche einzulassen. Ein Pädagoge erklärte mir das einmal so:

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»Erziehung ist ein Prozess, in dem man die Seele im Geiste eines aufgeklärten Gedankenaustausches gefährdet.«
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Das ist der Geist des echten Dialogs.


Individuell und kollektiv zugleich

Einige der bedeutendsten Beiträge zum gemeinsamen Gespräch kommen häufig von Menschen, die lernen, wie man zuhört – nicht der Gruppe, sondern sich selbst. In diesem Fall spricht die innere Stimme im Herzen, Geist und Körper des einzelnen, weil der kollektive Dialog um ihn herum stattfindet.

Erzeugt der Einzelne diese neue Wahrnehmung aus sich selbst heraus?
Oder verschafft sich die gemeinsame Bedeutung der Gruppe durch ihn einen Ausdruck?


Aus Sicht des echten Dialogs geschieht beides.

Die Theorie des Dialogs

Aus Sicht der Dialogtheorie spiegeln Zusammenbrüche in der Effektivität von Teams und Unternehmen eine wesentlich tiefgreifendere Krise in unserer grundsätzlichen Weltwahrnehmung wider.
Wir lernen, die Welt zu deuten, indem wir sie ganz automatisch in Kategorien und gedanklichen Unterscheidungen teilen.
Wir sind dann häufig hypnotisiert von diesen Unterscheidungen und vergessen, dass wir sie selbst geschaffen haben.
Eine Wahrnehmung wie »Die Wirtschaft gerät aus den Fugen« oder »Die Menschen sind korrupt« verwandelt sich in eine eigenständige Realität, auf die wir scheinbar keinerlei Einfluss haben.

Bedeutsamer Weise schaffen wir diese »hypnotischen Zustände« gemeinsam und lassen uns gemeinsam auf sie ein. Viele Ärzte sind zum Beispiel in dem »hypnotischen Zustand« gefangen, dass schwierige Geburten ein »Problem« seien, dass einer »Lösung« bedürfe. Wenn Programme zur Mutterschaftsvorsorge die Einzelfälle schwieriger Geburten verringern, insistieren (beharren, bestehen darauf) Ärzte, dass im Grunde »nichts geschieht«.
Eine erfahrene Hebamme, die einen solchen Kommentar hörte, widersprach:
»Wir sehen, dass etwas geschieht, wo Sie nichts sehen.«

Sie argumentierte, dass »problemlose Geburten« ein gewaltiger Fortschritt seien, aber eben eine ganz andere Sichtweise des Phänomens implizierten als »das Problem schwieriger Geburten«.

Im Grunde genommen hatten die Ärzte ihr Verständnis fragmentiert und sich selbst daran gehindert, den Unterschied zwischen »Problemen« und »Merkmalen« zu erkennen.

Wie David Bohm (Physiker) ausführt, ist die Fragmentierung des Denkens wie ein Virus, das alle Bereiche menschlicher Unternehmungen befallen hat.

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Die meisten Spezialisten sind nicht in der Lage, über die Grenzen ihrer Fachgebiete hinweg zu kommunizieren.
Das Marketing sieht die Produktion als das Problem.
Manager sollen »denken«, Arbeiter »handeln«.
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Anstatt sich auf gemeinsame Überlegungen einzulassen, verteidigen die Menschen ihren »Teil« und versuchen, andere zu besiegen. Wenn die Fragmentierung eine Bedingung unserer Zeit ist,

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dann ist der Dialog eine relativ bewährte Strategie, um von der Denkweise zurückzutreten, die von der Fragmentierung erzeugt wird.

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Zur Vertiefung einen Link:

http://thinkg.net/david_bohm/bohm_dialog_vorschlag.html

Vom Wesen des Dialogs

Eine Gruppe sitzt im Kreis auf einer Bühne und ist in ein intensives Gespräch vertieft. Die Teilnehmer befinden sich in einer Art intimem Theater, in dem sie Darsteller und Zuhörer zugleich sind. Sie streiten, weil sie nicht einer Meinung sind, aber ihre Auseinandersetzung hat etwas Verbindendes.
Sie hören einander intensiv zu, achten auf Sprache, Rythmus und Klang des Gesagten. Das Schweigen zwischen den Äußerungen wirkt ebenso eindrucksvoll wie die Worte. Jedesmal, wenn jemand etwas sagt, verändert sich ein subtiles Gewebe;

man hat etwas Neues gesehen. Jeder weiß, dass alle in der Gruppe es gesehen haben und dass es mehr ist als das Wahrheitsmodell eines einzelnen.


Während die Menschen im Kreis das Gespräch fortsetzen, wird das Bewußtsein einer von allen geteilten Bedeutung immer größer und klarer. Die Teilnehmer gewinnen allmählich einen nie dagewesenen Einblick in ihre grundlegenden Ansichten. Niemand kann allein zu dieser Form des Denkens vorstoßen, und selbst eine Gruppe muss eine bewußte Anstrengung unternehmen, um den Kontext für ein gemeinsames Denken zu schaffen.

Dazu braucht man eine Übung wie den Dialog.

Der Dialog ist nicht nur eine Ansammlung von Techniken für die Organisationsentwicklung, Kommunikationsförderung, Konsensbildung oder Problemlösung.

Er basiert auf dem Prinzip, dass Begreifen und Handeln durch den Wesenskern einer gemeinsamen Bedeutung auf das Engste miteinander verknüpft sind.

Während des Dialogprozesses lernen Menschen, gemeinsam zu denken – nicht nur im Sinne, dass sie ein gemeinsames Problem (=Bedarfslücke) analysieren oder neue Teile eines gemeinsamen Wissens erschaffen, sondern in dem Sinn, dass sie eine kollektive Sensibilität entwickeln, in der die Gedanken, Emotionen und die daraus resultierenden Handlungen nicht einem Individuum allein gehören, sondern allen zusammen.

Wie David Bohm* ausführt, gewinnt offenbar das Denken selbst eine neue Qualität, wenn die Ursachen der Gedanken wahrgenommen werden. Die Menschen fangen an, sich von allein auf koordinierte Handlungsmuster zuzubewegen, ohne den künstlichen, langweiligen Prozess der Entscheidungsfindung.

– Sie fangen an, einer gemeinsamen Ausrichtung entsprechend zu handeln.
– Sie müssen keinen Aktionsplan ausarbeiten, um festzulegen, was jeder tun soll, ebensowenig wie ein Vogelschwarm (– auch ein schönes Natur-AbBild! –), der mit perfekter Koordination von einem Baum abhebt, sein Flugmanöver planen muss.
– Jedes Teammitglied weiß ganz einfach, welches Handeln von ihm »erwartet« wird (oder besser, welches Handeln am besten ist), weil alle zu einem größeren Ganzen gehören.

Beispiele:

Bei den verschiedensten Dialogprojekten haben wir gelernt, wie man diesen Prozess in den unterschiedlichsten Umgebungen fördern kann – zum Beispiel bei einem kommunalen Krankenhauskonsortium, das von einer feindseligen Wettbewerbshaltung durchdrungen war, bei einer Gruppe von Führungskräften aus Wirtschaft und Politik, bei einem Stahlhersteller, der seit Jahren unter dem erbitterten Streit von Gewerkschaft und Management litt, und bei einer Gruppe von Stadtvätern in einer Großstadt.

Der MIT (Technische Hochschule Massachusetts) hat versucht 100 Jahre Dialogtheorie in die Praxis zu übertragen, und diese Theorie zu einer verläßlichen Handlungsgrundlage auszubauen.
Es stellte sich heraus, dass die Theorie weitreichende praktische Anwendungsmöglichkeiten bot.

Wie Margaret Mead sagte:
(sie war eine US-amerikanische Anthropologin und Ethnologin. Sie gilt als eine der entschiedensten Vertreterinnen des Kulturrelativismus im 20. Jahrhundert. Sie vertrat die Auffassung, dass Sozialverhalten formbar und kulturbestimmt sei.)

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» Kleine Gruppen nachdenklicher, besorgter Bürger können die Welt verändern. Tatsächlich ist dies die einzige Methode, die je erfolgreich war.«
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Der Zweck des Dialogs, wie wir ihn heute verstehen, ist die Schaffung einer Umgebung, in der man die kollektive Aufmerksamkeit bewußt aufrechterhalten kann.*
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* David Bohm, Unfolding Meaning (1995, Loveland, Colorado: Foundation House;)
(Dtsch.: Die verborgene Ordnung des Lebens, 1988, Grafing: Aquamarin)

Der Dialog als die fortgesetzte kollektive Erfoschung von Alltagserfahrungen und scheinbaren Selbstverständlichkeiten

Dialog kann zunächst definiert werden als die fortgesetzte kollektive Erforschung von Alltagserfahrungen und scheinbaren Selbstverständlichkeiten.

Das Ziel des Dialogs ist es, neue Gebiete zu erschließen, indem man einen »Container« oder »Feld« für Untersuchungen einrichtet:
eine Umgebung, in der die Menschen sich des Kontextes ihrer Erfahrungen bewußter werden können, ebenso wie der Denk- und Gefühlsprozesse, die diese Erfahrung herbeigeführt haben.

Während wir einen Dialog führen, achten wir auf das, was zwischen den Zeilen steht, nicht nur auf die Wörter selbst, auf das Timing der Handlung, nicht nur auf das Ergebnis, auf das Timbre und den Klang einer Stimme, nicht nur auf den Inhalt des Gesagten.
Wir achten auf die Bedeutung des Erkundungsfeldes, nicht nur auf seine einzelnen Elemente.

Kurz gesagt: der Dialog schafft Bedingungen, in denen die Menschen den Vorrang des Ganzen unmittelbar erleben.

»Dialog« ist ein sehr alter Begriff. Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen sich seit Jahrtausenden in kleinen Gruppen versammelt haben, um miteinander zu reden.

Der Dialog unterscheidet sich von der üblichen »höflichen« Konversation, aber sobald man sich darauf einlässt, empfindet man diese Art des Gesprächs als etwas ganz Natürliches. Das erklärt vielleicht, warum der Dialog in modernen Umgebungen trotz einer Reihe von institutionellen Hindernissen so erfolgreich gedeiht.

Das Wort »Diskussion« kommt vom lateinischen discutere, was »in Stücke schlagen« bedeutete.

Die Diskussion ist ein Gesprächsmuster, das die Fragmentierung fördert. Die qualifizierte Diskussion unterscheidet sich allerdings von einer unproduktiven Diskussion, weil die Teilnehmer nicht ausschließlich damit beschäftigt sind, »Verteidigungsschlachten« um ihren eigenen überlegenen Standpunkt zu führen.

Sie entwickeln ein Reportoire an Techniken (wie zum Beispiel kooperative Reflexions- und Erkundungsfertigkeiten), um zu untersuchen, wie die Komponenten ihrer Situation zusammenpassen, und sie entwickeln ein tieferes Verständnis für die Kräfte, die zwischen den Team-Mitgliedern selbst im Spiel sind.

In der qualifizierten Diskussion trifft man eine Wahl;
in einem Dialog erforscht man das Wesen der Wahl.

Dialog ist wie Jazz;
qualifizierte Diskussion ist wie Kammermusik.

Wednesday 13 June 2007

Die Suche nach der Creative Economy

Deutschland begibt sich auf die Suche nach der Creative Economy, dem Schlüssel zur Wissensgesellschaft.
Und stößt dabei auf eine Klasse, die irgendwie nicht ins Konzept passt.

"Dieser Prozess der schöpferischen Zerstörung ist das für den Kapitalismus wesentliche Faktum. Darin besteht der Kapitalismus, und darin muss auch jedes kapitalistische Gebilde leben."
Joseph Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942).

Die Ware, mit der diese neue Wirtschaft handelt, Kreativität, hat es ohnehin schwer. Denn sie lässt sich im Gegensatz zu ihren historischen Vorgängern nicht einfach im Voraus definieren, so, wie man es für ein Werkstück oder ein Produkt vom Fließband ganz selbstverständlich tun kann.
Eine Idee ist zunächst nichts weiter als ein Gedanke, eine Abstraktion, nichts Gegenständliches also. "Davon kann man nichts kaufen", sagt der Volksmund. Es steht nirgendwo geschrieben, dass kreative Arbeit verlässlich zu Ergebnissen führt. Auch die Richtung ist oft nicht klar bestimmbar. Nachdenken kann zu Ergebnissen führen, die mit dem ursprünglichen Ziel nichts zu tun haben, zu Nebeneffekten, neuen Erkenntnissen, die völlig überraschend sind. Kreative Arbeit ist risikoreich. Sie kann zu Revolutionen führen, aber auch völlig im Sande verlaufen. Mit anderen Worten: Nichts ist einfacher, als kreative Denkarbeit zu diskreditieren – und sie vor dem Hintergrund des Bewährten infrage zu stellen. Das passiert auch regelmäßig. Und noch etwas kommt hinzu: Kreative sind in der wirklichen Welt keineswegs so leicht von anderen Menschen zu unterscheiden wie im Labor der Neurowissenschaftler. Schon der Begriff Kreativität ist im Grunde nicht klar definiert. Im heutigen Sprachgebrauch meint man damit eigentlich alles, was irgendwie Neues schafft, also Dinge, Methoden, Verfahren und Ideen, die zuvor noch niemand hatte. Erfindungen, Verbesserungen, Optimierungen, Kunstwerke, Literatur, Musik, Software, Design und Blaupausen fallen, neben tausenden anderen Dingen, unter diese weitläufige Definition. Kreativ ist ein Schreiner, der aus einem Stück Holz ein Unikat, ein noch nie dagewesenes Original schafft, ebenso wie ein Chirurg, der eine neue Operationstechnik ersinnt. Ein Software-Ingenieur findet sich auf der gleichen gesellschaftlichen Ebene wie ein Klempner, der eine Wasser sparende, ökologisch sinnvolle Klospülung bastelt. Alle bekannten Klassen und Schichten lösen unter der kreativen Doktrin auf.
>>>Quelle: brand eins, 9. Jahrgang, Mai-Ausgabe:
>>>Achtung! Sie betreten den kreativen Sektor.
>>>Schwerpunkt Ideenwirtschaft
  1. Wo beginnt für uns die Kreativität?
  2. Welche Methoden setzen wir ein?
  3. Wie offen, wie tolerant, wie netzwerkfähig sind wir?
  4. Wie setzen wir unsere Ideen gegenüber dem Kunden durch?
  5. Beiben wir allzuoft im Mittelmaß stecken?
Ich freue mich auf Eure Kommentare!

Emotional differentiation is the mother of intelligence













we arrange the future.

By we bundle synergies:
"from the disorder find to the simplicity,
from the dissonance find to the harmony.
In the midst of the difficulty the opportunity lies." Albert Einstein

Together. We create solutions.
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In the Dialogue – Future.


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Engaged, democratically, humanly

My desires for you

Beloved ...,

go ahead, or dance right and left!
Jumping and flying away! To let it go!

When your smile fascinates!
When your words go around!
When you will alright!
When you make your things!
To let it go!

When you smell the flowers!
When you see the birds!
When you feel integrally!
To release!

When you be over the moon!
When you have butterflie`s in one`s stomach!
When you stay in love!
To release!

When worse come to worse!
– If only!
To let it go!
To let it go!

If everything goes well!
Jump away!
To let it go!

If to hie one`s way
think –
To let it go!

If to think
whister goest thou?
To release!
To release!

Sometimes –
If the mountain will not go to Muhammed, then Muhammed must go to the
mountain!
A bad workman blames his tools!
That´s life!

Live and let live!
Savoir vivre!
Live with love!

Let your life!

And then...

... ... ...

To release!
To release!
To release!

... ... ...

With Love!

... - - - ...
... ... ...
... - - - ...

Your perpetually friend