Wednesday 15 August 2007

Vergeben und freier leben

Zu verzeihen nützt Körper und Seele und kann gelernt werden.

Einen Groll zu hegen, führt nicht nur zu seelischen, sondern auch zu körperlichen Belastungen. Wenn ich jemandem etwas nachtrage, wer trägt dann die Last? Sich zu entscheiden, die Last abzulegen, ist eine Stärke, die uns erlaubt, uns nicht mehr von Geschehnissen quälen zu lassen, mit denen uns unrecht getan wurde.

Die Fähigkeit, zu vergeben, kann erlernt werden. Das ist das Ergebnis einer amerikanischen Studie von Psychologen um Dr. Frederic Luskin, die die Auswirkungen des Verzeihens auf seelische Verletzungen untersuchten. Anhaltender Groll macht krank und verhindert neue gesunde Entwicklungen – Vergeben dagegen ist heilsam und macht neues Leben möglich.

Die Forscher hatten für ihre Studie 259 Bewohner aus dem Großraum San Francisco sechs Mal zu eineinhalbstündigen Sitzungen eingeladen, in denen Vergeben geübt wurde. Die Teilnehmer diskutierten miteinander über die ihnen zugefügten Schmerzen, hörten sich Vorträge an oder führten innere Zwiegespräche mit der Person, die die Verletzungen verursacht hat. Für die Untersuchung wurden Menschen ausgewählt, die zwar gekränkt und beleidigt worden waren, die jedoch keine körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hatten.

Am Ende gaben die Teilnehmer an, weniger Schmerz als zuvor zu empfinden. Psychische und körperliche Symptome von Stress wie zum Beispiel Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit oder Magenbeschwerden ließen nachweislich nach. Auch waren die Probanden künftig bereit, in ähnlichen Situationen wieder zu vergeben.

In seinem Buch „Die Kunst zu verzeihen“ beschreibt der Leiter der Studie, Dr. Frederic Luskin von der Stanford-Universität, Verzeihen als Beginn und Ende eines Heilungsprozesses. Wer nicht vergeben kann, bindet Unmengen seelischer Energie, verschwendet die eigene Kraft in Zorn, Rachegedanken, Hass, Bitterkeit und Wut. Im Verzeihen dagegen liegt die Möglichkeit, die Fesseln der Vergangenheit zu lösen. Im Zorn und in der Suche nach dem Schuldigen stehen zu bleiben, bringt Menschen um die Möglichkeit, Verletzungen zu betrauern. Erst wenn richtig getrauert wurde, können kränkende Ereignisse losgelassen, kann die Kränkung überwunden und etwas Neues begonnen werden. Nicht gelebte Trauer dagegen führt häufig zu Depressionen. Abbruch von Beziehungen, Liebesentzug und Vorwürfe mildern nicht den Schmerz. Eine Kränkung heilt nur schwer, wenn sie nicht vergeben ist. Dabei heißt vergeben nicht, einfach Nachsicht mit den Tätern zu üben, sie zu entschuldigen oder gar die Verletzung zu verleugnen. Es geht um den Wechsel des Standpunktes und das Verlassen der Opferrolle. Wer das schafft, kann aufhören, sich an die Wunden der Vergangenheit zu klammern und die eigene Verletztheit und die eigene Wut loslassen und sich mit seinem eigenen Geschick aussöhnen. Vergeben ist nicht leicht – aber heilsam. Und man tut es nur für sich selbst.

Vergeben zu können ist ein Vorrecht – das Recht, zu entscheiden, sich nicht mehr von Vergangenem quälen zu lassen.